Wednesday, December 4, 2013

Shared: Wie spät ist es, Kosmonaut?

An article in German by Markus Boehm in der Standard.at about the first wristwatch in outer space which happens to be a Russian watch -- Yuri Gagarin's watch.

Link to the article:


Picture of said watch, borrowed from the article.







The article goes like this (and I quote):

Die Sowjets brachten mit Juri Gagarin den ersten Menschen ins All - Und mit ihm die erste Uhr in die Erdumlaufbahn - Noch heute polarisiert der Retro-Ost-Schick russischer Zeitmesser

Die Meldung im sowjetischen Staatsfunk jagte Schockwellen in Richtung Westen und sorgte für Jubel in der UdSSR. Den Kommunisten war es am 12. April 1961 gelungen, mit Juri Gagarin den ersten Menschen ins All zu schießen und wieder wohlbehalten zurückzubringen. Das kann man in allen Geschichtsbüchern lesen. Was allerdings weniger bekannt ist: Mit dem Kosmonauten wurde auch die erste Armbanduhr ins Weltall geschossen. Auch sie hatte die 108 Minuten und eine Erdumdrehung unbeschadet überstanden.
Von langer Hand geplant war das nicht. "Heute unvorstellbar! Man braucht nur an das Tamtam rund um den Stratosphären-Sprung von Felix Baumgartner denken und wie Zenith das werblich ausschlachtet", sagt Stephan Paul, der in der Schönbrunner Straße in Wien-Margareten einen kleinen, leicht skurrilen Laden betreibt, in dem er vorwiegend russische Uhren verkauft. Die wenigen Glasvitrinen sind voll bis oben hin mit neuen und historischen Zeitmessern aus russischer Produktion.
Der 63-jährige gebürtige Pole, dessen Brotjob eigentlich Nachtwächter ist, hat den Uhrenhandel nach dem Tod seiner Frau übernommen. Er weiß viel über die wechselvolle Geschichte der russischen Uhrenindustrie zu erzählen: "Die Erste Moskauer Uhrenfabrik, aus deren Produktion Gagarins Sturmanskie-Uhr stammte, wurde noch im selben Jahr unter dem Eindruck des ersten Allflugs in Poljot, 'Flug', umbenannt", berichtet er.

"Pojechali!"

Den Morgen des 12. April 1961 stellt sich Paul so vor: Gagarin wird wie an jedem anderen Tag auch seine Sturmanskie ans Handgelenk gelegt haben. Ob er davor oder danach "Pojechali!" - "Auf geht's!" - gerufen hat, ist nicht überliefert, steht aber auf dem Gehäuseboden einer Sonderedition der Sturmanskie, die anlässlich des 50. Jubiläums aufgelegt wurde. Jedenfalls haben die Russen nicht lange überlegt, welche Uhr sie Gagarin mit ins All geben - anders als die Nasa, die lange testete und sich schließlich für die Omega Speedmaster entschied. Sie war 1969 die erste Uhr auf dem Mond.
Als Jagdflieger war Gagarin in den Besitz seiner Armbanduhr gekommen. "Die Sturmanskie war seine Dienstuhr, wie für viele andere Soldaten der Roten Armee auch", sagt Paul. Noch im Zarenreich waren Uhren der Elite vorbehalten. Nach der Oktoberrevolution 1917 kam es nahezu zu einem Stillstand der russischen Uhrenindustrie, weil es kaum mehr Teile aus der Schweiz oder Deutschland gab. Dennoch war die Nachfrage groß, vor allem vonseiten der Roten Armee. "Wie soll man ohne Uhren auch eine Armee führen?", sagt Paul.

"Erste Staatliche Uhrenfabrik"

In den späten 1920ern kauften die Bolschewisten Uhren daher auf dem internationalen Markt ein, zahlten mit Gold, wie Mark Gordon, ein in Singapur ansässiger Sammler russischer Uhren, berichtet. Bald darauf entschloss sich die Regierung, eigene Uhrenfabriken aufzubauen. Und ging auf Shoppingtour, ausgerechnet beim Klassenfeind: 1930 kauften die Sowjets das Produktionsequipment zweier US-amerikanischer Unternehmen, die während der Wirtschaftskrise ins Trudeln geraten waren - Dueber-Hampden Watch und Ansonia Clock. Sogar 21 ehemalige Mitarbeiter von Dueber-Hampden reisten aus Ohio an, um den Russen beim Aufbau der "Ersten Staatlichen Uhrenfabrik" zu helfen, aus der dann die "Erste Moskauer Uhrenfabrik" wurde.
"Obwohl es ein Handelsembargo gab, hatten die Amerikaner nichts gegen den Verkauf, denn sie hielten die Technologie für veraltet", sagt Gordon: "Sie sahen keinerlei strategischen Nutzen darin." Aber schon in den späten 1960er-Jahren jammerten die Amerikaner, dass es die russische Uhrenindustrie geschafft habe, sich an die zweite Stelle hinter der Schweiz vorzuarbeiten. Die USA lagen damals an vierter Stelle. Bis in die 1950er kollaborierten die Russen mit Schweizer und anderen westlichen Firmen. Oder ließen sich von westlicher Technologie "inspirieren".
Die sowjetischen Ingenieure bauten einfach westliche Kaliber um. So geschehen etwa mit Zenith-Werken, denen die Ingenieure drei Lagersteine hinzufügten und die Unruh vergrößerten, was die Ganggenauigkeit und Robustheit der Uhr steigerte. Auch in der Quarzkrise in den 1970ern produzierten die Sowjets stur ihre mechanischen Uhren weiter.

Die Wende überlebt

Unübersichtlich wurde es nach der Wende. Aus Poljot wurde eine Aktiengesellschaft, aus ihr entstand dann die Poljot International und unter Leitung Alexander Schorochows die gleichlautende Uhrenmarke. Diese setzte einerseits die Traditionen von Poljot fort, schlug andererseits aber einen grundlegend anderen Entwicklungsweg ein. Die Projektierung, Herstellung und Gütekontrolle der Uhren wie auch der Service wurden nach Deutschland verlegt, was der Firma die Möglichkeit gab, vollständig unabhängig zu werden und ihre eigene Entwicklungsstrategie zu verfolgen.
Zur Jahrtausendwende entstand die Firma Volmax, die sich 2002 die Rechte für die russischen Marken Aviator, Buran und Sturmanskie sicherte. Aber diese Typenbezeichnungen tauchen auch bei anderen Herstellern auf. Volmax verbaut inzwischen immer mehr neue Schweizer ETA-Werke.
So werden beispielsweise die Aviator-Uhren seit 2011 im Schweizer Jura entwickelt und gefertigt. Dennoch gibt es auch heute noch Uhren mit dem Markennamen Aviator aus russischer Produktion. "Was nicht rein russisch ist, ist nicht mehr interessant", hält Paul fest. Sturmanskie, Gagarins Marke, sei immer noch rein russisch. "Auch Vostok, 1942 gegründet, stellt noch alles in Russland her und verfügt über eine hohe Fertigungstiefe", erzählt Paul.

Nur noch Restbestände

Seit 2011 werden keine Poljot-Kaliber hergestellt. "Es gibt nur noch Restbestände", seufzt Paul. Die Folge: Die Preise steigen. Uhren, in denen beispielsweise das Handaufzugskaliber Poljot 3133 tickt, werden langsam rar. Die heutigen Modelle orientieren sich stilistisch oft an historischen Modellen.
Mit ihrer kyrillischen Beschriftung strahlen sie einen herben Charme aus. Und polarisieren: Von "Sehr fesch" bis zu "Schaut aus wie aus dem Kaugummiautomaten" reichen die Kommentare der RONDO-Kollegen.
Luxus war den Sowjets kein Anliegen. Robustheit und Effizienz schon. Deshalb gelten russische Uhren als unverwüstlich, kaum umzubringen. "Sie sind bodenständig", ruft Paul, dem es vor allem die Schiffschronometer angetan haben. "Also wenn man schönere und kompliziertere Werke möchte, sollte man sich Schweizer oder deutsche Uhren zulegen. Die sind vielleicht hübscher, aber auch fünfmal so teuer."

(Markus Böhm, Rondo, DER STANDARD, 29.11.2013)

Wir bedanken uns bei Stephan Paul, der uns die beiden abgebildeten Sturmanskie-Modelle für die Fotos zur Verfügung gestellt hat. Wer sich für russische Uhren interessiert, sollte sich direkt an ihn wenden. Kontakt unter: www.poljot.at

No comments:

Post a Comment